Im nächsten Jahr wird die Umnutzung des Rechenzentrum s e c h s Jahre alt. 2021 liegen (nur) noch 3 Jahre bis zum vorläufigen Ende der Vertragslaufzeit vor uns. In 21 wird wieder einiges bewegt und wichtige Weichen gestellt werden / müssen zur Zukunft des Standorts Rechenzentrum/ehemalige Garnisonkirche.
Wir blicken zum Ende des Jahres 2020 darauf, was passierte und sich bewegte in Bezug auf die Rechenzentrum-Entwicklung und den Diskurs zum Erhalt und welche kulturellen und künstlerischen Impulse das Rechenzentrum – auch mit Corona-Stolpern und Stottern – senden konnte. Hier eine kleine Auswahl:
Die Wüstenrot Stiftung bekannte sich dazu die Restaurierung des Eisel-Mosaiks zu finanzieren, wenn es an Ort und Stelle und dort mindestens 20 Jahre bleibt (siehe MAZ Artikel „Ostmoderne in Potsdam – Wüsternrot will Kosmos-Mosaik retten“ vom 07.07.)
OB Mike Schubert brachte den Architekten Daniel Libeskind ins Spiel für die Gestaltung des D r e i k l a n g s aus sanierter Nachkriegsmoderne mit dem ehemaligen DDR Verwaltungsgebäude in neuer Nutzung RechenZentrum, rekonstruiertem Barockturm der Garnisonkirche und einem möglichen Dritten – A + B + C – unabhängig davon, ob man diesen Stararchitekten-Vorstoß und seinen Stil mag, führte das dazu, dass die Idee dieses Dreiklangs, welcher der historischen Komplexität des historischen Standorts ehemaligen Garnisonkirche und deutscher Geschichte des 20 Jhd. gerecht wird, sich weiter trug. Und dass auch in der Jüdischen Allgemeinen von unserer Straßenecke berichtet wurde. Überregionale Berichterstattung passierte in 2020 viel, u.a. in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung mit diesem Beitrag von Niklas Maak: „Das Modernde und Moderne“. Mein Lieblingsteil daraus:
„Das Rechenzentrum wird nicht, wie bisher geplant, 2023 abgerissen; der bereits genehmigte Wiederaufbau des Turms der Kirche vollendet, beides mit einem vermittelnden Bau verbunden. Damit würde der eliminatorische Teufelskreis – ich spreng weg, was die vor mir gemacht haben – durchbrochen und ein Bild entstehen, in dem alle Seiten der Stadtgesellschaft, auch ihre Brüche und Widersprüche sichtbar werden, und Potsdam, das auf dem besten Weg war, wie eine Computeranimation des alten Preußens auszusehen, könnte zu einem Modell für eine Stadt werden, in der alle Spuren der Geschichte sichtbar bleiben dürfen.“
Die großartige T R A N S F O R M A L E bescherte uns nicht nur kluge künstlerische Positionen in der Umgebung und tolle kulturvolle 2 Wochen im September, sondern ebenfalls überregionales Hallo in der SZ, wo Peter Richter die „Front im Zentrum“ verortete und zur Idee des langfristigen Nebeneinanders von RZ und Turm formulierte: „Nach der barbarischen Abfolge von Abriss und Gegenabriss wäre es die zivilisiertere Konfrontation von Bau und Gegenbau.“
Ein besonderer Schritt ist der seit dem Sommer 2019 vorbereitete Start des digitalen Lernorts Garnisonkirche im Juni 2020 und die Eröffnung des analogen Lernort Garnisonkirche bei uns im Haus im EG im September 2020. Auch diese von Prof. Philipp Oswalt (Architekturprofessor in Kassel) initiierte Dauerausstellung und Webseite in Trägerschaft der Martin-Niemöller-Stiftung (Sitz in Wiesbaden), welche „über die Geschichte des Ortes der ehemaligen Garnisonkirche Potsdam aufklären und eine vertiefte Forschung initiieren“ möchte, ist Ausdruck unserer fortschreitenden überregionalen Vernetzung und Sichtbarkeit. Und natürlich ist dies alles Ausdruck der Kontroverse, mit welcher die Entwicklung des Standorts ehemalige Garnisonkirche / Rechenzentrum seit Jahrzehnten diskutiert wird und weiter diskutiert werden wird. Unser Standort macht uns zu mehr als „nur“ zu Brandenburgs größtem Kunst- und Kreativhaus. Und wir stehen da nicht nur mittendrin rum, sondern sind aktiver Teil des Ringens um die zukünftige Entwicklung dieser historisch aufgeladenen „Straßenecke“. Also für mich ist das Rechenzentrum ein aktiver, impulsgebender Akteur in dieser Stadt und darüber hinaus. In unserem Konzept vom RZ als zivilgesellschaftlicher Akteur, wurde die historische Komplexität des Standorts und wie ein RZ Erhalt dieser gerecht werden hilft, bereits im Herbst 2019 formuliert.
Ein wichtiger Impuls 2020 war das zweitätige Symposium „ÜBER ECK: Bauerbe der DDR“ , initiiert und veranstaltet vom FÜR e.V. und einem kongenialen Orgateam. Die 2 Tagungstage mit den 18 Mosaikplatten im Fokus und 150 Gästen zu Vorträgen, Ausstellung, Diskussion und Stadt-Spaziergang attestierten die „kulturhistorische Bedeutung“ des Mosaiks: Das erste kurze Fazit findet ihr hier: https://rz-potsdam.de/cms/umgangmitmosaik. Die ausführliche Dokumentation der Tagungsbeiträge ist dank eines immensen Einsatzes von Kristina Tschesch, Marcus Große, Annegret Pannier und Arne Teubel und Anita Hunke bald fertig und kann bereits hier geordert werden: verein@rz-potsdam.de.
Stefan Pietryga und ich waren ins Stadtforum Potsdam zum Thema „Corona und Stadt – Was lernt Potsdam aus der Krise?“ (Thema Kultur und Kreativwirtschaft mit u.a. Stefan und mir ab 1h 46 min) im Juni eingeladen und ich gleich nochmal im September zum Thema „Entwicklungsraum Plantage“ (Vortrag Anja Engel ab Minute 52): Und so tauchte auch dort die RZ Perspektive und die von Kultur- und Kreativschaffenden auf.
Unser Kunst-Shop FUTUR 1 konnte endlich eröffnet werden, nachdem der Umbau des EG sich verzögert hatte. (Und der #AdventskalendeRZ aus dem Futur1 hat uns über den Dezember gebracht, Tausend Dank und Hüte Nora und Team!) Als Corona-Hack konnten wir ab April mit einem zehnköpfigen Team von Kreativen aus dem Rechenzentrum die digitale Sendeplattform RZ spektral aus dem Kosmos auf die Geräte bringen. Hier könnt ihr das formidable lokale Teleshopping mit Nora Fritz und ihrem Side Kick Heino Weber sowie die E-V-A Interviews mit Polina Borissova, Andreas Dresen, Luise Schröder, Christian Näthe u.a. weiterhin sehen und auf ihren prophetischen Gehalt am Anfang der Pandemie scannen. Vor dem Rechenzentrum sprießte im Sommer ein HeRZ-Rasen aus dem Baustellenboden der ehemaligen Rechnerhalle. Aus dem RZ ist eine Bestseller-Autorin zwar nicht auf bundesweite Lesetour aber auf Internetreise gegangen, Katja Lewina mit „Sie hat Bock“. Ein Team aus dem Haus um Brigitta Bungard befragte Potsdam zu den Potentialen und Wünschen am Platz der Einheit und macht hier aktiv Stadt. Die Theatergruppen FritzAhoi! und Uniater brachten ihre im RZ entwickelte und uraufgeführte Produktion „Observations“ zu einem internationalen Theaterfestival auf Kuba im März – und kamen gerade so vor den geschlossenen Grenzen nach Hause. Und in den Räumen im Haus von xenorama entstehen sowieso die abgefahrensten 3D Projection Mappings und Geschichten, welche im Potsdam Museum, im ZKM in Karlsruhe, an der Alten Oper Frankfurt/M und sogar am Polarstern-Eisbrecher projiziert werden. Robert Bernier hat den Start des zweiten Lockdowns mit seinen Neverending Fensterkonzerten vielen Potsdamer:innen versüßt. Verena Postweiler, Ania Dejewska und ihr Team haben mit „30 Jahre 30 Paare | Gemischtes Doppel“ dem Trubel zu 30 Jahre Einheit vor dem Filmmuseum eine schöne Ecke gegeben und wurden mit dem einheitspreis 2020 ausgezeichnet, einem Bürgerpreis, der seit 2002 gesellschaftliches Engagement für das Zusammenwachsen von Ost- und Westdeutschland auszeichnet. Ich könnte noch ‘ne Weile weitermachen.
Kurz – es passiert so viel Spannendes, Inspirierendes, Zukunftsweisendes, Gemeinschaftliches und Unterschiedliches im Rechenzentrum! Weithin sichtbar und exzellent und alltäglich im Kleinen und Großen!
Ich hoffe, dass wir auch in diesem Jahr Gemeinsames gestalten, Raumqualitäten weiter entwickeln, Dinge ausprobieren, uns kennenlernen, uns solidarisch und hilfsbereit verhalten, Raum und Ressourcen teilen, gerade wenn der Gürtel enger wird, Zukunft visionieren und konkretisieren, Debatten prägen und wichtige Stadtentwicklungs- und kulturelle Impulse senden.
Soweit ein Rückblick auf ein weiteres bewegtes Jahr Rechenzentrum.
Text: Anja Engel, Kulturmanagement und Projektleitung Rechenzentrum, in Betreiberschaft der Stiftung SPI, zum Jahreswechsel in der Hauspost der Nutzenden