Innen Zentrum der Datenverarbeitung – außen Kosmos-Mosaik

Der Standort – Das Datenverarbeitungszentrum

Zwischen 1969 und 1971 entstand das Datenverarbeitungszentrum durch ein Kollektiv um den Architekten Sepp Weber, der fast zeitgleich maßgeblich an der Errichtung des Havelhochhauses und dem Institut für Lehrerbildung (ehemalige Fachhochschule am Alten Markt) beteiligt war. Im direkten Vergleich dieser Gebäude, fallen formalästhetische Ähnlichkeiten, wie die stark horizontal und vertikal gegliederte Fassade, auf.

Das Datenverarbeitungszentrum wurde in Montagebauweise errichtet, die vorgeblendeten vertikalen Lamellen sollen „das konstruktive Prinzip des Stahlbetonskelettbau auf die Gebäudehülle übertragen.“ (Metropolar) Das Motiv der Lamellen findet sich ebenfalls an der Fassade der heutigen FH und am Anbau an den Rechnungshof an der Spornstraße/Ecke Dortustraße von 1970. Bezugnehmend zur Architekturgeschichte der Stadt Potsdam wird hier ein sich auf klassische Prinzipien beziehendes Motiv geschaffen: Im von Friedrich II. etablierten barocken Klassizismus  findet sich das Motiv der gliedernden Wandvorlagen in Lisenen, Pilastern und Säulen.

 

Die Lamellen können als modern interpretierte Antwort darauf verstanden werden. Durch Eingriffe nach der Wende ist die ursprüngliche Fassadengestaltung am Datenverarbeitungszentrum nur noch zu erahnen. Die dominierende Vertikale wurde von dunklen Fensterbändern als horizontale Gliederung abgelöst.

Der von der Potsdamer Stadtbevölkerung seit jeher als „Rechenzentrum“ bezeichnete quadratisch wirkende, fast würfelförmige Bau befindet sich etwas zurückversetzt an der Ecke Breite Straße, ehemals Wilhelm-Külz-Straße, und Dortustraße. Inklusive dem Sockelgeschoß gruppieren sich fünf Geschoße geschlossen um einen Innenhof. An der Dortustraße befindet sich der eingeschossige Eingangsbereich, der das Hauptgebäude mit dem niedrigeren, flächenmäßig größeren Trakt, in dem das eigentliche Rechenzentrum untergebracht ist, verbindet. Durch die beiden Gebäudeteile werden sowohl die Grundfläche der ehemaligen Garnisonkirche als auch die ehemalige Plantage partiell überschnitten.

Das Mosaik

Die Sockelzone des Rechenzentrums wird durch das aus 18, dreimal 2,80 Meter großen, demnach geschosshohen Einzelbildern bestehende Glasmosaik „Der Mensch bezwingt den Kosmos“ des Künstlers Fritz Eisel dominiert. Eisel lebte zur Zeit der Entstehung in Potsdam. Kurz nach der Installation 1971/72 wurde er als Rektor der Hochschule für bildende Künste nach Dresden berufen. Für Architekturen der „Ostmoderne“ sind solche Wandbilder im Kontext der Kunst-am-Bau durchaus charakteristisch und ein wichtiges Zeitzeugnis, finden sich als Mosaik, Fresco oder Wandteppich zahlreich in staatlichen Bauaufgaben. Der Künstler Eisel beschreibt sein Werk als Auseinandersetzung „mit der elektronischen Datenverarbeitung zwischen der Einsteinschen Relativitätsformel E=mc² und dem Marxschen Gesetz von der Ökonomie der Zeit.“ MEHR::: Die Tafeln fassen in diesem Spektrum die Errungenschaften der Menschheit sowie die Stationen und Bestandteile der Raumfahrttechnik zusammen. Auf den ersten Blick nicht unbedingt deutlich wird der inhaltliche Bezug von Bauschmuck und Nutzung des Baus: Die Datenverarbeitung stellt eine deutliche Ökonomisierung der Produktion dar; das die Serie abschließende Zitat von Karl Marx verdeutlicht den Zusammenhang der Ökonomisierung und des Bildprogramms: „Je weniger Zeit die Gesellschaft bedarf, um Weizen, Vieh etc. zu produzieren, desto mehr Zeit gewinnt sie zu anderer Produktion, Materieller oder Geistiger.“ Als ein „geistiger“ Produktionsschritt kann hier die Raumfahrt als Beispiel für wissenschaftliche Innovation gelesen werden, die Datenverarbeitung, von der man sich erhoffte, dass sie die Arbeitsschritte der „notwendigen Produktion“ erheblich schneller mache, ermöglicht diese. Eisel nutzt für seine Darstellung einen halbabstrakten, teilweise informelle Strukturen aufweisenden, sozialistischen Realismus.

Zu sehen sind 18 Bildtafeln, durchbrochen von sechs Gittern mit vorgelagerten, quadratischen, blaugesprenkelten Emailleplatten. Die einzelnen Tafeln werden durch weiße, leicht vorgesetzte Pfeiler voneinander abgegrenzt.

 

 Die Bilder können so auch außerhalb des Ensembles einzeln gelesen werden, auch wenn es bei Einigen Kontinuitäten in der Gestaltung gibt, die sich in Diptychen und Triptycha zeigen. Dargestellt sind Satellitenanlagen und Raketen, aber auch Arbeiter/innen, die an der Erforschung und Produktion von Weltraumraketen beteiligt sind. Neben einem Kosmonauten und der Rückenansicht eines arbeitenden Mannes tritt dabei besonders eine junge Frau in den Fokus, die direkten Blickkontakt zum/zur Betrachter/in aufnimmt.

Wenn man sie mit Porträts von Christa Eisel, der Ehefrau des Künstlers, vergleicht, liegt sie als Modell für diese Frauendarstellung nahe. Ein zweites Motiv, das ins Auge springt, ist eine Darstellung der Erde aus dem All gesehen. Als Triptychon aufgebaut, ist es das größte zusammenhängende Bild des Mosaiks, wurde aber angeblich falsch angebracht, sodass nicht das aufsteigende Kreissegment eines Planeten entsteht, sondern ein ästhetisch ebenso ansprechendes Dreierbild mit abstrakten Formen. Fritz Eisels Schwiegersohn Jörg Kalkbrenner betonte 2014 gegenüber der MAZ: „Der Künstler hat die versetzte Anordnung so gewollt, damit die Sache etwas spannender wird. Einige Kunstbeflissene haben es bis heute nicht begriffen, dass es halt keine Kunst ist, die Erde immer nur schön [zu] zeigen.“

Die Installation des Mosaiks am ehemaligen Standort der Garnisonkirche kann als programmatisch interpretiert werden: Das Mosaik huldigt dem weltlich-sozialistischen Fortschritt und liest sich so als eine Art Gegenprogramm zu Gott, aber auch dem überwundenen preußisch-deutschen Militarismus. Das Mosaik nimmt somit auf eine subtile Weise direkten Bezug auf die Geschichte des Ortes. In den Plänen der 60er Jahre ist es noch vorgesehen, an den Standort der Garnisonkirche, direkt auf die Kubatur des Glockenturmes, ein „Haus der Wissenschaft“ zu errichten, was die Programmatik des späteren Bauvorhabens unterstreicht; ein Datenverarbeitungszentrum wird erst ab 1968 geplant.

Der Mensch bezwingt den Kosmos“ im Kontext seines Bestimmungsbaus und der Magistrale Breite Straße
Das Glasmosaik „Der Mensch bezwingt den Kosmos“ von Fritz Eisel am Potsdamer Rechenzentrum ist durch seine Größe und Farbigkeit eines der prominentesten Kunst-am-Bau-Projekte der Stadt. Für den, damit verglichen, eher unscheinbaren Bestimmungsbau ist das Mosaik seit seiner Fertigstellung 1972 zu einer Art „corporate identity“ geworden: Den Potsdamer*innen ist das Mosaik bekannt, die Funktion und Existenz des Rechenzentrums steht auf den ersten Blick hinten an.

 In der Presse wird das Mosaik häufig Artikeln vorangestellt, die sich mit dem Haus befassen, aber auch um Meldungen, beispielsweise zu Lohnunterschieden zwischen Männern und Frauen, zu illustrieren. Mit der Umnutzung des Rechenzentrums als Haus der Kunst und Kreativität wurde das Mosaik in den vergangenen Monaten des Bestehens als repräsentative Kulisse genutzt: Der „Runde Tisch“, das erste Treffen, um eine mögliche Umnutzung des Rechenzentrums abzuwägen, fand vor dem Mosaik statt, seitdem lassen sich Entscheidungsträger/innen öffentlichkeitswirksam vor ihm ablichten.

Mit der „Aktion Kosmos“, der symbolischen Reinigung des Mosaiks, fingen die neu eingezogenen Kultur- und Kreativschaffenden an, sich das Haus anzueignen und in der Öffentlichkeit sichtbar zu machen.

Heute, etwa eineinhalb Jahre nach Einzug der ersten Nutzer*innen, finden sich Teile des Mosaiks in den Drucksachen rund um das Haus oder als Einladung zu Feierlichkeiten wieder; seine Funktion als Bauschmuck, aber auch als „corporate identity“ des Hauses setzt sich, unabhängig der Funktion des Hauses, fort und illustriert heute die innere Nutzung durch die Neubesiedlung.

Das Mosaik und die Magistrale Breite Straße

Das Mosaik „Der Mensch bezwingt des Kosmos“ steht stellvertretend für ein künstlerisches Genre in Potsdam und der gesamten DDR. Das Mosaik oder das Relief wird als Kunst-am-Bau-Objekt zum direkten Bild- und Botschaftsträger im öffentlichen Raum. In den 70er Jahren, der Entstehungszeit des Rechenzentrums, ist das Stadtbild Potsdams geprägt von der Magistrale Breite Straße. „Der Mensch bezwingt den Kosmos“ befindet sich hier in einer Linie mit dem Karl-Liebknecht-Denkmal „Herz und Flamme der Revolution“ von Theo Balden und dem Wandfries als Gedenkstätte zu Karl Liebknecht von Kurt-Hermann Kühn.

Durch diese künstlerischen Positionen, in Zusammenhang mit den Architekturen der Fachhochschule, des heutigen Hotel Mercure, dem Rechenzentrum und der Seerose wird das barocke Bild der Magistrale mit herausragenden Beispielen zeitgenössischer Kunst und Architektur bestückt.

 

In einem Beitrag zu den Bürger/innenhäusern der Breiten Straße schreibt Thomas Wernicke 1988: „Im sozialistischen Potsdam wurde die Breite Straße zur Hauptverkehrsstraße ausgebaut. Dem neuen Charakter als sozialistische Magistrale entsprechend sahen schon städtebauliche Konzeptionen der Jahre 1967/68 vor, diese Straße mit einer repräsentativen Neubebauung zu versehen.“ Das Erscheinungsbild mit weiträumigen Straßenräumen und großen Wohn- und Nutzbauten, aber auch Sonderbauten hat sich in den 70er und 80er Jahren entwickelt. Um die städtebaulichen Maßnahmen zu ermöglichen, wurden  historische Bauten teilweise abgerissen, aber auch restauriert, saniert und modernisiert. Entgegen der landläufigen Meinung, die DDR sei historischem Bauen prinzipiell feindlich gesinnt gewesen, wird mit der Breiten Straße ein, zumindest teilweise, gelungenes Programm deutlich, das Alt- und Neubauten in einem harmonischen Konzept vereint.

Ausblick: Vom Umgang der Stadt mit denkmalgeschütztem Bauschmuck

Durch die Vorgabe des Denkmalamtes sind Baudenkmäler idealerweise an ihren Ursprungsort gebunden – in der Stadt Potsdam scheint dieser Grundsatz nicht zu gelten. So ist beispielsweise das Karl-Liebknecht-Denkmal von Kurt-Hermann Kühn, ursprünglich die Nordwand des Ernst-Thälmann-Stadions bildend, nach der Wende in eine kaum wahrgenommene Ecke des Lustgartens verschwunden. Gesellschaft leistet ihm dort die Skulptur „Herz und Flamme der Revolution“ von Theo Balden. Die Bauplastik „Flugschiff“, ursprünglich 1974 von Peter Rohn und Christian Roehl für das „Haus des Reisens“ entworfen, befindet sich heute entkontextualisiert am Parkhaus der Schiffbauergasse. Durch die Wegnahme des Bestimmungsortes werden die Bauplastiken nicht nur inhaltlich sondern ebenso ästhetisch beschnitten.

 

Ein weiteres Beispiel für den Umgang mit denkmalgeschütztem Bauschmuck ist das Wandbild „Die Erben des Spartakus“ in der Stadt- und Landesbibliothek Potsdam: Durch den Umbau der Bibliothek nicht mehr in seiner vollständigen 90 m² großen Pracht zu sehen, es ist mittlerweile in Stücke geschnitten an verschiedenen Wänden der Bibliothek zu sehen. Ein Stück dessen ist heute im Bibliothekscafé angebracht, hinter einem erhöhten Tisch, sodass im täglichen Betrieb ständig Füße und Taschen in Berührung mit dem Fresco kommen und die Malschicht sukzessive abgetragen wird.

Für das Mosaik „Der Mensch bezwingt den Kosmos“ ist der Verbleib nach dem geplanten Abriss des Rechenzentrums noch nicht endgültig entschieden, dass es im Falle des Abrisses eine Entkontextualisierung des Kunstwerkes geben und die Breite Straße um ein großartiges Denkmal der DDR-Kunst ärmer werden würde, steht aber heute schon fest.

 

Text: Sophia Pietryga, Kunsthistorikerin